Was passieren muss, damit Deutschland kinderfreundlicher wird: mein ehrlicher Blick als 2-fache Mama

Was passieren muss, damit Deutschland kinderfreundlicher wird. Ich wage den Vergleich zwischen Dänemark und Deutschland und teile meinen ehrlichen Blick darauf als zweifache Mama.
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In den letzten Jahren hat sich in Deutschland eine Debatte über die Kinderfreundlichkeit unserer Gesellschaft entwickelt. Immer mehr Menschen fragen sich, warum es hierzulande so schwierig ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. 

Der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen, ein veraltetes Schulsystem, unzureichende finanzielle Unterstützung für Eltern und eine fehlende Wertschätzung für die Bedürfnisse von Kindern sind nur einige der Aspekte, die die Kinderfreundlichkeit in Deutschland in Frage stellen lassen. 

Nachdem ich eine Zeitlang in Dänemark gelebt habe – immerhin einem der kinderfreundlichsten Länder im Vergleich – sehe ich vieles aus einer neuen und anderen Perspektive. Und ja, auch ich empfinde Deutschland mittlerweile als kinderfeindlich und familienfeindlich. Nicht unbedingt aufgrund der Gesellschaft, sondern vor allem aufgrund der politischen Rahmenbedingungen.

Da meckern allein jedoch nicht hilft, möchte ich heute meinen ehrlichen Blick darauf teilen, was meiner Meinung nach passieren muss, damit Deutschland endlich wirklich kinderfreundlicher wird. 

1. Urlaub nach der Geburt des Kindes

Ja, liebes Deutschland hier bist du gleich einmal durchgefallen. Während die Mutterschutzzeiten klar geregelt sind, ignorierst du die Väter bzw. den zweiten Elternteil. Die EU hatte eine entsprechende Richtlinie ausgearbeitet, die bereits 2019 in Kraft getreten ist. Nach dieser sollten jedem eine 10-tägige Auszeit, voll bezahlt, nach der Geburt zu stehen.

Und was macht Deutschland? Einfach mal auf das Jahr 2024 verschieben…Pfui!

2. Elternzeit und Elterngeld, die Eltern wirklich unterstützt und flexibel ist

Zunächst: Ich bin dankbar, dass es Elternzeit und Elterngeld überhaupt gibt. Und wie so oft wird es schwer sein, alle zufrieden zu stellen. Und es ist großartig, dass es die Möglichkeit gibt drei Jahre Elternzeit zu nehmen…

Aber selbst wer solange in Elternzeit gehen möchte oder sogar muss (weil es nicht ausreichend Betreuungsplätze gibt) stolpert schließlich über die Frage: “wie soll das finanziert werden?“

In Deutschland können bis zu 14 Monate Basiselterngeld bezogen werden, sofern sich beide Elternteile an der Betreuung beteiligen. Dabei werden maximal 65% des letzten Einkommens an Elterngeld gezahlt.

In Dänemark gibt es einen Anspruch auf Elterngeld und finanziellen Ausgleich von 52 Wochen. Davon können die Eltern 32 Wochen unter sich aufteilen, wie sie es wünschen. 

Das Elterngeld beträgt bis zu 100 % und wird auf Grundlage des Stundenlohns berechnet. Im Jahr 2023 waren dies maximal 122,97 DKK pro Person/Stunde vor Steuern (4.550 DKK/37 Stunden). Ja die Dänen haben eine 37 Stunden Woche 😉 (Quelle (in dänisch))

Umgerechnet sind dies maximal 2.440€ im Monat. Nett, oder?

Außerdem besteht ein garantierter Platzanspruch für Kinder die älter als 26 Wochen sind. Und das steht nicht nur auf dem Papier, es wird gelebt. Seitens der Eltern jedoch häufig erst ab dem ersten Lebensjahr in Anspruch genommen.

Bereits in meinem Vergleich der Betreuungsformen für unter dreijährige, hatte ich mich dafür ausgesprochen, die Kosten für einen Krippenplatz den Eltern zu geben. Dann kann jeder selbstbestimmt und für sich als Familie entscheiden, damit drei Jahre zuhause zu bleiben oder einen Krippenplatz zu finanzieren.

Kinder dürfen keine Kostenentscheidung sein!

3. Einkommen, von dem man Leben kann

Zugegeben, dieser Punkt betrifft uns alle. Egal ob Eltern oder nicht.

Im OECD Vergleich zählt Deutschland zu den Ländern mit den höchsten Steuerabgaben, nur Belgien liegt vor uns.

Ein Single kommt auf Satte 47,8 % Abzüge für Steuern und Sozialabgaben. In Dänemark sind es hingegen nur 35,5%. Eine Familie mit zwei Kindern, Doppelverdiener in Deutschland 43,2% in Dänemark hingegen nur 32,7%. Sollte es jemanden da draußen geben, der es mir nicht glaubt: Hier findest du die Quelle, schau einfach selbst einmal nach 😉

Im internationalen Vergleich werden Geringverdiener in Deutschland tendenziell auch noch stärker belastet und Spitzenverdiener schwächer. Ziemlich unfair und es ist an der Zeit dies zu ändern!

Und wenn ich einmal den Einwurf wagen darf: in Dänemark kann wenigstens noch jeder sehen, wohin das Geld fließt. Saubere und heile Straßen, vernünftige Schulgebäude, kostenlose Recyclinghöfe, funktionierende Verwaltungen, kostenlose Universitäten.

Beim Durchschnittsverdienst steht Deutschland im Vergleich mit 3.715€ brutto/ Monat gar nicht so schlecht da. In Dänemark liegt es bei 5.005€. Ach ja, es sind auch noch Zahlen aus 2018. Hier gehts zur Quelle.

Wobei mich der Median mehr interessieren würde und zudem aussagekräftiger wäre.

4. Gesicherte Kinderbetreuung, ohne finanziellen Kollaps

Kinderbetreuungskosten in Deutschland sind nicht einheitlich geregelt und jedes Bundesland kocht hier sein eigenes Süppchen.

Während wir in Schleswig-Holstein zahlen dürfen, sind die Krippen- und Kitaplätze hingegen in Mecklenburg-Vorpommern kostenlos.

Ich kann mich noch gut an eine Feier bei einem Kollegen meines Mannes erinnern. Der zog damals von Hamburg ins Umland gezogen ist. Während in Hamburg die Kitas für 6 Stunden am Tag kostenlos waren, musste nun in Schleswig-Holstein ordentlich in die Tasche gegriffen werden.

Einer seiner Nachbarn hatte dies wohl wirklich nicht gewusst 🙈 da stand er nun mit seinem Neubau (damals noch bezahlbar) und den Betreuungskosten für drei Kinder.

Hohe Kinderbetreuungskosten belasten nicht nur den Geldbeutel, sondern auch die Nerven. Es wäre wundervoll arbeiten gehen zu können, ohne ständig an die nächste Kita-Rechnung denken zu müssen.

Nicht selten fressen diese Kosten ein Teilzeitgehalt auf und können wie ein Schlag ins Gesicht sein. Und dann ist auf eine Betreuung nicht mal mehr Verlass. Denn sobald zwei Personen in einer Einrichtung ausfallen, geht das Jonglieren los. Dann wird gefragt, ob Kinder früher abgeholt werden oder nicht gleich zuhause bleiben können.

Mein Vorschlag: kostenlose Kitas, mehr Geld für das Kitapersonal und bitte auch Puffer berücksichtigen (auch Mitarbeiter haben mal Urlaub, müssen zu einer Fortbildung oder werden auch mal krank).

5. Bildungsrecht, statt Schulzwang

Ein Punkt der mir wirklich schwer auf den Magen schlägt. Ich habe die Schule gehasst! Damals schon. Und irgendwie wird es mit dem staatlichen Schulsystem nicht wirklich besser. Zum Glück wusste ich damals nicht, dass es die „Schulpflicht“ bzw. die „Gebäudeanwesenheitspflicht“ in vielen anderen Ländern gar nicht gibt. Ansonsten hätte ich wohl ordentlich rebelliert.

Ja, Schüler in Deutschland werden gezwungen zum Lernen ein Schulgebäude aufzusuchen. Neben Deutschland haben nur noch Schweden, Nordkorea und China eine gesetzliche „Anwesenheitspflicht“.

Was bedeutet dies für Deutschland? Wenn Schüler oder Eltern dem nicht nachkommen, dann flattert es Bußgeldbescheide ins Haus bis hin zur Androhung oder dem Vollzug des Kindesentzuges.

Und genau dieser Schulzwang und häufig auch der Mangel an alternativen Schulen treibt sogar Familien aus dem Land. Zumindest durfte ich einige von Ihnen in Dänemark kennenlernen. Denn nur weil nach Vielfalt geschrien wird, heißt es ja nicht, dass man sie auch überall haben möchte.

Ich persönlich bin nicht per se gegen Schule, jedoch glaube ich, dass Schule nicht für jeden das Richtige ist. Ich bin jedoch sehr für persönliche Freiheit, die eben auch unsere Kinder im Rahmen ihrer Bildung genießen sollten dürfen.

Was ich mir daher für meine Kinder wünschen würde? Statt Schulzwang die Freiheit und das Recht auf Bildung! Ich hätte die Hoffnung, dass dadurch vielleicht auch die Gründung von alternativen Schulen (demokratische, Freie Schulen, Onlineschulen etc.) leichter werden würde.

Zu dem Thema Homeschooling / Unschooling konnte ich eine spannende Bachelorarbeit finden. Für all diejenigen, die sich mit diesem Thema beschäftigen möchten.

Achso, in Dänemark gibt es übrigens eine „Bildungspflicht“. Homeschooling bzw. „Freilernen“ ist erlaubt und es gibt eine Fülle an freien Schulen mit den unterschiedlichsten Schwerpunkten und vor allem in der Regel kleine Klassen.

6. Kinderfreundliche Arbeitsplätze? Ja, bitte!

Lasst uns über Arbeitsplätze sprechen. Homeoffice, flexible Arbeitszeiten – das sollte nicht nur auf dem Papier stehen, sondern wirklich umsetzbar sein. 

Wenn sich ein Unternehmen „Familienfreundlichkeit“ auf die Website schreibt und sich am besten dies auch gleich noch auszeichnen lässt, dann werde ich aufgrund meiner eigenen Erfahrungen mittlerweile sofort skeptisch. 

Liebe Unternehmen! Hört doch bitte auf mit dieser billigen Werbung, sondern handelt lieber entsprechend!

Das dann häufig Frauen -bei gleicher Qualifikation!!- immer noch schlechter bezahlt werden, als ihre männlichen Kollegen- ist eine bodenlose Frechheit! Nennt sich „Gender Pay Gap“ und es sind pro Stunde 18% weniger als Männer.

Eine Übersicht zu den EU-Ländern seht ihr hier.

7. Orte, an denen wir mit unseren Kindern willkommen sind

Wahrscheinlich habt ihr alle die Diskussion über Restaurants mitbekommen, die Kindern quasi den Zutritt verbieten. Damit alle endlich einmal in Ruhe essen können.

Bei solchen Diskussionen schüttelt es mich. Kinder gehören genauso zu unserer Gesellschaft dazu wir alle anderen auch.

Statt also Ausschlüsse zu diskutieren, sollten vielleicht lieber mehr Spieleecken für Kinder eingerichtet werden. Diese findet man in Dänemark recht häufig.

8. Unterstützung und Verständnis für junge Eltern

Ein Appell an die Gesellschaft: Kinder haben kein Handbuch. Ich wiederhole: KEIN Handbuch! Als junge Eltern könnten wir eine Portion mehr Unterstützung und Verständnis gebrauchen. Gut gemeinte Ratschläge sind ja nett, allerdings helfen uns Tipps aus anno dazumal einfach mal GAR NICHT.

Die Zeiten haben sich geändert.

9. Bezahlbarer Wohnraum für Familien

Bezahlbarer Wohnraum ist ein Muss und gefühlt NICHT mehr vorhanden.

Das Gefühl, dass man sich zwischen Miete und Windeln entscheiden muss, ist schlichtweg deprimierend. Wir selbst wohnen seit Mai in Ferienwohnungen, weil wir schlichtweg nichts zum Wohnen finden. 4-5 Zimmer Wohnungen oder Häuser zur Miete gibt es quasi nicht. Und wenn dann kosten sie nicht selten ein Vermögen (ab 1.600€ kalt).

Greifen wir einmal das Butto-Durchschnittseinkommen auf und jagen es durch einen Brutto-Netto-Rechner, unter Berücksichtigung des Kinderfreibetrages für ein Kind. Ergebnis: 2.736€ Netto.

Jetzt kann sich ja jeder einmal selbst ausrechnen, was dann am Ende (nach Versicherungen, Nebenkosten, Lebensmitteln, Auto, Rücklagen und Rentenvorsorge) noch übrig bleibt.

Häuser zum Kauf sind ebenso eine Katastrophe. Mit Glück findet sich in meiner Heimatstadt ein Abrissreifes Haus auf Erbpacht für bummelig 300.000€. Am Ende landet man dann schnell bei 600.000-800.000€…und das dann alles zu einem Zinsatz von über 4%. Lübeck zählt offiziell zu den Städten, in denen sich selbst Spitzenverdiener keine Wohnung mehr kaufen können….

Nicht wenige Familien sind quasi gezwungen, in zu kleinen Wohnungen zu leben oder zu weit von der Arbeit und Kindergarten entfernt zu sein.

In Dänemark ist der Kauf üblicher, als die Miete. Die Immobilien kosten ca. nur 1/3 von dem was sie in Deutschland kosten, was sicherlich auch damit zu tun hat, dass man ausländischen Investoren es schwer macht. Ohne Wohnsitz in Dänemark ist der Kauf schwer bis unmöglich.

Eine Grunderwerbssteuer wie in Deutschland gibt es dort nicht (Notare im übrigen auch nicht). Der Markt ist damit deutlich flexibler.

Was Deutschland tun könnte?

Die Grunderwerbssteuer für Familien abschaffen und Wohnungsbau für Familien gezielter fördern. Über die Förderung von Wohneigentum für Familien der KfW (300) kann ich nur müde lächeln. Gefördert werden Familien mit einem Haushaltseinkommen bis 60.000€, plus 10.000€ pro Kind. Kredithöchstbeträge von 140.000€ bis 240.000€ sind möglich.

Doch schauen wir zurück auf den Punkt 3 das Einkommen, dann müssen wir uns schnell fragen, wer denn mit diesen Rahmenbedingungen sich überhaupt noch ein Haus leisten kann. Wenn schon die Spitzenverdiener es nicht mehr können, wohl erst recht nicht mehr Familien mit einem Einkommen von 70.000€ bis 90.000€ (von ein bis zwei Kindern).

Fazit: Gemeinsam für eine kinderfreundlichere Zukunft

Viele Ansätze sind super, aber die Umsetzung? Nicht so sehr. Als Mama wünsche ich mir, dass Eltern wirklich Unterstützung, Wertschätzung und Anerkennung bekommen. Kinder großzuziehen ist kein Sprint, es ist ein Marathon. 

Und falls die Frage kommen sollte, wie das finanziert werden soll? Dann schaut euch doch einmal die gewaltigen Zahlungen an, die jährlich ins Ausland transferiert werden (Quelle 1, Quelle 2). Manchmal bezweifle ich, dass es überhaupt jemanden gibt, der wirklich noch einen Überblick hat.

Auch in Dänemark ist nicht alles Gold was glänzt. Auch dort gibt es viele Vor- ebenso wie Nachteile.

Die Zukunft unseres Landes sind unsere Kinder. Eine Investition in unsere Kinder, ist eine Investition für die Zukunft (des eigenen Landes).

Deutschland sollte ein Ort sein, an dem Kinder herzlich willkommen sind und Eltern die Unterstützung und Freiheit erhalten, die sie benötigen, um ihre Kleinen großzuziehen.

Gebt uns die Werkzeuge, um das gut zu machen!

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2 Kommentare

  1. Vielen Dank für diesen Beitrag. Ich bin zwar keine Mutter, aber ich arbeite seit beinahe 20 Jahren mit Kindern und bin häufig erschüttert über das mangelnde Interesse für Kinderbelange.

  2. Großartig die Gegenüberstellung Deutschland gegenüber Dänemark. Alles auf den Punkt gebracht. Zum Glück gibt es in Deutschland auch langsam einen Sinneswandel besonders oft in der veganen Szene. Jeder ist aufgerufen was zu tun.

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